Freitag, 8. Februar 2008

Endless Euphorism (1): Endless Nights

Planänderung bezüglich meiner Sandman-Schwelge-Pläne. Wir verzichten mal auf die Chronologie - zumindest ausnahmsweise. Habe gestern "Endless Nights" gelesen, und werd den Band einfach mal jetzt schon über den grünen Klee loben.

Sieben Jahre nach Abschluß der eigentlichen Serie hat sich Gaiman nochmal hingesetzt und seiner größten Schöpfung gewidmet: Den zeitlosen sieben Geschwistern, die Endless genannt werden. Aus Neils Einleitung:

If this is your first encounter with the world of the Sandman, it is worth bearing in mind that the Endless are not gods, for when people cease to believe in gods they cease to exist. But as long as there are people to live and dream and destroy, to desire, to despair, to delight or go mad, to live lives and affect each other, then the Endless will be there, performing their functions. They do not care a jot whether or not you believe in them.

Sinnvollerweise umfasst der Band sieben Geschichten, für jedes Familienmitglied eine, und jede ist von einem anderen Künstler umgesetzt. Hier kurz (okay, bei meinen Lieblingen auch weniger kurz) meine Meinung zu den einzelnen:

Death ist prinzipiell meine Liebling-Endless. Nicht, weil ich heimlich ein schwarzer Goth wäre, sondern weil sie so erfrischend anders ist als die übliche Personifizierung des Todes. Kein Stück morbide, sehr lebendig und freundlich (was - wie wir in einer späteren Geschichte erfahren - nicht immer so war). Auch ohne suizidale Tendenzen sieht man Deaths "Arbeit" nicht als unvermeidliches Ende jeden Lebens, sondern als krönenden Abschluß, als Konsequenz, als Beginn etwas anderen. Kein Wunder, daß ihre "Opfer" keine Angst vor ihr zeigen, sondern sich fröhlich mit ihr unterhalten.

So auch in dem ihr gewidmeten Kapitel "Death and Venice", das leider etwas mit der Anwesenheit der zeitlosen Dame knausert. Man braucht ein ganzes Stück, um mitzukriegen, was das Ganze überhaupt mit ihr zu tun hat - ab da wirds aber durchaus cool :). Grafisch souverän von P. Craig Russell umgesetzt.

Was direkt an Desires Geschichte "What I've tasted of Desire" auffällt, ist natürlich das geniale Artwork von Milo Manara. Der Mann kann zeichnen und kolorieren... werft mal ne Bildersuche an, seine Frauen sind sehr betörend. Sehr passend in diesem Falle. Zwar gibt sich Desire noch knapper die Ehre als ihre/seine Schwester vorher, aber die Story um die endlose Leidenschaft einer Dorfschönheit ist gerade durch das coole Ineinanderfließen von Erzählung und Erzählerin total klasse. Im Nachhinein betrachtet spielt Desire im Sandman-Epos zwar eine durchaus wichtige Rolle, ihr/sein Treiben blieb aber immer etwas unverständlich, unbeleuchtet. Und obwohl er/sie hier wie oben schon geschrieben kaum mitmacht, "passt" die Geschichte einfach.

Besser gefällt mir eigentlich nur Geschichte Numero 3, "The Heart of a Star", das Feature für Dream. Ich fang jetzt nicht an, den König der Träume zu charakterisieren oder zu erläutern, wieso er gleich nach Death in meiner Rangfolge kommt. Lest alle Sandman-Bände, dann brauch ich das nicht ;). Nein, hier ist einfach mal die Geschichte selbst bzw. die beteiligten Akteure das Geniale. Dem ein oder anderen dürften Parallelen zu Gaimans "Stardust" auffallen, wenn sich in einer Zeit, in der unsere Sonne noch jung und die Erde leblos war, eine Versammlung der Sterne unter Schirmherrschaft der Endless zuträgt. Der Leser erfährt dieses kosmische Erlebnis durch die Augen von Killalla, Dreams damaliger Freundin, deren Herkunft den erfahrenen DCler schon die Freudentränen in die Augen treibt: Eine waschechte Oa-Bewohnerin, die nebenbei auch noch von ihren Bemühungen, die Grüne Flamme zu zähmen, berichtet. [Anm: Oa ist der "Wohnsitz" der Guardians des DC-Universums und Hauptzentrale des von ihnen gegründeten Green Lantern Corps...]

Richtig geil wird es, als Despair einen gewissen Rao [Anm: der belesene DCler weiß, daß dies die Sonne Kryptons ist, dem Heimatplaneten Supermans] auf eine Super-Idee bringt:

D: "Think about it, Rao. Wouldn't bringing life onto a planet that is inherently unstable add to the beauty of life? If at any moment it could explode..."
R: "I had not thought of it like that."

D: "No? Truly, it would only be perfectly beautiful, a perfect piece of art, if one single life-form escaped. To remember, to mourn, to despair."


Oder wie ein junger Hüpfer namens Sol Dream versichert, daß er immer gern in seinem System gesehen werde... und Death ist noch gefürchtet und Delirium ist noch Delight.... und wartet mal ab, wenn ihr auf der letzten Seite erfahrt, WER die ganze Geschichte WEM erzählt! Geilomat. Die Gemälde von Miguelanxo Prado tun ihr übriges.

Despairs "Geschichte", "15 Portraits of Despair" war mir ehrlich gesagt etwas zuu expermientell. Das hab ich nur so halb verstanden alles :(. Bill Sienkiewicz ist natürlich für Deliriums Kapitel "Going Inside" die perfekte Wahl (siehe links). Leider potenziert das auch gleich die Verwirrung, die Handlungssträngen, die die jüngste Endless featuren, schon an sich innewohnt. Man kapiert die Handlung irgendwann, leider sieht man von der kleinen Neben-der-Spur-Stehenden nicht so fürchterlich viel. Aber hey, Matthew, Daniel und Barnabas tauchen auf. Juchu! :)

Destructions "On the Peninsula" ist sowohl optisch (Glenn Fabry zeichnet) als auch storytechnisch um einiges verständlicher. Außerdem darf Del auch mitspielen :). Ansonsten zwar sehr charakterisierend für Destructions Aufgabengebiet, aber ansonsten eher durchschnittliche Kost.

"Endless Nights" um Destiny ist dann letztendlich gar keine Geschichte mehr, sondern nur ein kurzer Streifzug durch den Garten des blinden Buchhalters. Selten hat man so tolle Zeichnungen von Quitely gesehen, den mag ich sonst nicht so.

Ja. Toller Band. Kann man sicherlich auch ohne Sandman-Kenntnis lesen, aber so richtig empfehlenswert ist das weniger. Man hat mehr davon, wenn man die Beteiligten kennt :). Achja, fasll noch jemand ein Geschenk für mich sucht (kostet auch nur schlappe 300 $):


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