Samstag, 24. Dezember 2005

Spotlight: Supreme Power


Joseph Michael Straczynski. Ja, den Namen wollte ich nur mal fix am Anfang hinschreiben, damit hier auch brav weitergelesen wird, denn wir beginnen eigentlich ganz woanders: Bei den Helden des DC-Universums, deren mächtigste sich unter dem Namen Justice League of America - kurz JLA - zusammengeschlossen haben, um die übelsten Bedrohungen zu bekämpfen. Marvels Pendant waren die ruhmreichen Rächer, die Avengers. Trotzdem kam irgendjemand im Haus der Ideen mal auf die Idee, eine augenzwinkernde Kopie der JLA zu basteln: Die Squadron Supreme. Hyperion (ein Superman-Verschnitt), Nighthawk (Batman), Whizzer (Flash), Doctor Spectrum (Green Lantern), Power Princess (Wonder Woman) und andere Kopien durften ihre Abenteuer - abgesehen von ein paar Intermezzi mit den Avengers - jedoch in einer Art Parallel-Universum erleben, was sich der 1997 verstorbene Marvel-Editor und Autor Mark Gruenwald 1985 zunutze machte, um eine 12-teilige Mini-(oder wohl eher Maxi-)Serie zu schreiben, die heutzutage als eine der Vorreiter zu Alan Moores "Watchmen" zählt, eines DER Werke, die das (Superhelden-)Genre revolutionierten.

In der 12-teiligen Squadron Supreme Serie beschliessen die namensgebenden Helden (die übrigens die einzigen Superhelden ihrer Welt sind), ihre Welt zu verbessern, indem sie sie übernehmen und zu einem Utopia umformen. Was gut gemeint war, geht natürlich gründlich in die Hose, die Squadron trennt sich, ein paar sterben... Am Beispiel der Squadron sieht man, wie sich die beiden Verlagshäuser DC und Marvel gegenseitig "befruchten": DC begann nach dem Erfolg der Squadron, seine eigenen JLA-Mitglieder zu verändern, so wich die Friede-Freude-Eierkuchen-Freundschaft zwischen Batman und Superman dem heutigen Disput der beiden als gegensätzliche Extreme des Heldentums, wie er (u. a.) in der aktuellen Serie Superman & Batman portraitiert wird.

Warum erzähle ich das alles, und was zum Teufel hat das mit J.M. Straczynski zu tun, wird sich der ein oder andere fragen. Ganz einfach: Der Autor zeigt sich für einen aktuell äußerst erfolgreichen Reboot der Squadron unter dem Namen Supreme Power verantwortlich. Dabei geht JMS noch ein paar Schritte weiter und setzt seine Squadron in eine Welt, die sich von der unsrigen nur in einem einzigen Detail unterscheidet: Vor 20 Jahren stürzte ein UFO vom Himmel, das ein Baby mit außergwöhnlichen Kräften ethielt. Und so zeigen die ersten sechs Hefte (zusammengafsst im ersten TradePaperback "Contact"), wie das Kind von der Regierung aufgezogen wird, um unter den verschiedenen Regierungen der letzten Jahre entweder zur Geheimwaffe im ersten Irak-Krieg oder später als Mark "Hyperion" Milton zum Vorzeige-Helden der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Fast nur am Rande lernt der Leser wenige andere "besondere" Menschen kennen, etwa einen schwerreichen Afro-Amerikaner, dessen Eltern vor seinen Augen von einem weissen Rassisten ermordet wurden, und der nun in einem High-Tech-Anzug als Nighthawk durch die Nacht zieht, um Verbrecher zu jagen, die es auf schwarzhäutige Opfer abgesehen haben (und dabei ergo selbst Rassist ist). Oder einen willensstarken Soldaten, der die Energiequelle des UFOs - in Form eines schimmerndes Kristalls - beherrschen soll und dabei nach jahrelangem Koma ungeahnte Kräfte erhält. Da ist das Baby, das in der Nacht des Absturzes geboren wird und von der entsetzen Mutter ins Wasser geworfen wird, da es offenbar mehr Amphibie als Mensch ist; und der junge Mann, der in 15 Minuten drei Bundesstaaten zu Fuß durchqueren kann. Zu verraten, was in den nächsten 12 Heften vor sich geht, würde die Spannung verderben.


Bemerkenswerterweise existiert die Squadron selbst auch nach 18 Heften (bzw. 3 TPBs) nur im Ansatz. Straczynski nimmt sich extrem viel Zeit, seine Charaktere einzuführen und es dauert bis zu Heft 13, daß sie überhaupt eine Art gemeinsame Heldentat vollbringen. Das Hauptaugenmerk liegt auf Hyperion und den Leuten der amerikanischen Regierung und des Militärs, die ihn manipulieren (wollen), was mit einem Realismus einhergeht, der im Superhelden-Genre seinesgleichen sucht. JMS arbeitet erneut mit Gary Frank zusammen, der schon sein "Midnight Nation" zeichnete. Da die ersten 18 Hefte unter Marvels Erwachsenen-Label MAX erschienen, konnten sich beide auch ordentlich austoben: JMS schreckt nicht davor zurück, reale Präsienten zu nicht unbedingt in einem positiven Licht erscheinenden Akteuren zu machen und in "Projekt Hyperion" einzubeziehen, Power Princess (die hier Zarda heisst) darf seitenlang - frontal nudity alarm ! - nackt umherflanieren, und ein brutaler Serienkiller ein furchtbares Gemetzel in einem Kaufhaus veranstalten.

Supreme Power ist keine leichte Kost, JMS schreibt wieder sehr ausufernd und viel, ich würde den Textgehalt und die damit verbundene Lesedauer eines Heftes locker auf das doppelte eines "normalen" Comics ansetzen wollen (also das vierfache eines durchschnittlichen Top Cow -Heftes) - was ich natürlich immer eher als Pluspunkt deute, zumal es kein leeres Claremont Gewäsch (Caption: "Sabretooth holt zu einem rechten Haken aus, um Wolverine zu fällen." Sabretooth: "Sieh, Wolverine, ich schlage jetzt mit rechts zu! Du wirst fallen! Fort mit Schaden! " *mit rechts zuschlag, aber daneben hau* Caption: "Doch Wolverine weicht aus!" Wolverine: "Haha, Dein rechter Haken nutze Dir nichts, du fiese Möpp, ich wich aus!" Sabretooth: "Verdammt, er ist ausgewichen!" [..] ) ist, sondern da auch wirklich einiges an Handlung und Charakterisierung dahintersteht.

Die Serie wurde mit der Nummer 18 beendet und soll im Frühjahr mit einer neuen Nummer eins fortgesetzt werden - allerdings unter dem Marvel Knights Label, bei dem sich zumindest Frank wohl etwas mehr zurückhalten muss (schade). Mittlerweile existieren auch drei sechsteilige Miniserien zu Doc Spectrum, Nighthawk und Hyperion, die ich allerdings noch nicht gelesen habe. Nicht alle wurden von JMS geschrieben, allerdings hat er die Autoren höchstpersönlich ausgewählt.

Wer dem Medium Comic nicht komplett abweisend gegenübersteht, aber bisher mit "Superhelden-Kram" nichts anzufangen wusste, sollte einen Blick oder auch zwei riskieren - selten waren Superhelden so real wie in Supreme Power. Und für den alteingesessenen Fan isses aufgrund der "anderen" Sicht auf Superhelden eh ein modernes Meisterwerk, das allerdings doch ab und an etwas an JMS' Epos "Rising Stars" erinnert.

Supreme Power Vol 1: Contact
Supreme Power Vol 2: Powers & Principalities
Supreme Power Vol 3: High Command

oder auf deutsch

MAX 3: Supreme Power 1
MAX 5: Supreme Power 2
MAX 8: Supreme Power 3

1 Kommentar:

Philos hat gesagt…

Der Vergleich zu Rising Stars drängt sich meines Erachtens auf, wird aber in der Comic-Community wohl kaum wahrgenommen. Mir scheint Rising Stars noch experimenteller gewesen zu sein. Allerdings kam man das Marvel-Projekt Supreme Power mangels genügenden Plots noch gar nicht bewerten, wie Du deutlich feststellst.