Montag, 12. Dezember 2005

Betriebshalt

Bahnfahren ist nicht immer spannend, eigentlich eher stinkelangweilig, vor allem früh am Morgen, wenn das ganze Abteil (okay, eigentlich nur die schläfrige Mitfahrerin) am Pennen ist. Aber mit ein bisschen (blühender) Phantasie...

Seit gestern, glaub ich, gibt's neue Fahrpläne bei der DB, was für mich bedeudet, daß ich eine ganze - jaha, eine GANZE!!! - Minute länger schlafen kann, da der Zug nach Berlin erst um 6:21 am vor aufgeregtem Leben pulsierenden Chemnitzer Bahnhof abfährt. Doch das ist nicht die einzige Neuerung, denn es gibt etwas spannendes neues in der Deutschen Bahn zu erleben, den... *trommelwirbel* BETRIEBSHALT. (Ja, den mag's vorher auch schon gegeben haben, aber ich hab zum ersten Mal einen bewusst erlebt). Aber der Reihe nach.

Die erste Stunde der Fahrt verlief gewohnt belanglos. Das Fräulein Mitbewohnerin wollte bis zum Einschlafen unterhalten werden, Fahrkartenkontrolle, langweilig draussen - das übliche halt. Es ging also alles harmlos los, in einer Alltagssituation... als urplötzlich der Zug stoppte. Okay, nix neues bis hierher, zumindest für den geübten Bahnfahrer. Schreckhafte Mütterchen, die ob des unplanmässigen Haltes (nein, es war kein Bahnhof in Sicht) in schiere Panik verfallen, seien mal außen vorgelassen. Doch etwas war.... anders... dieses Mal. Man spürte dieses Kribbeln in der Luft, dieser Halt musste etwas GANZ besonderes sein. Und so wartete ich angespannt darauf, dass etwas passierte. Nach minutenlangen bangen Wartens dann... die Erlösung, die Aufklärung, die Erleuchtung in Form einer Durchsage: "Meine Damen und Herren, der FAHRPLANMÄSSIGE BETRIEBSHALT in Herzburg wurde vorgezogen nach Falkenburg. Die Fahrt wird in wenigen Minuten weitergehen, dafür werden wir in Herzburg NICHT halten müssen. Bleiben Sie ruhig." (Okay, den letzten Satz hab ich jetzt dazu erfunden ;o) )

Meine Güte, ein FAHRPLANMÄSSIGER BETRIEBSHALT! VORGEZOGEN! Ich war in heller Aufregung. Was mochte wohl ein Betriebshalt sein? Weit und breit war kein Betrieb zu sehen, soviel stand fest. Betrieben wurde auch nichts, sonst wären wir ja gefahren. Und wieso konnte der so einfach vorgezogen werden? Meine Welt lag in Trümmern. Kurz darauf rauschte ein Zug auf dem Nebengleis vorbei um mich vollends zu verwirren. Wenn der sagenumwobende Betriebshalt fahrplanmässigerweise in Herzburg war, was war dann mit diesem Zug, den wir dann wohl erst dort hätten passieren lassen müssen? Kam er aus der Zukunft, wir aus der Vergangenheit, ist der ominöse "Betreiber" oder "Betrieb" eine kosmische Instanz zur Verhinderung paradoxer Zeitschleifen, wegen der wir halten mussten? Der Zugschaffner wollte es nicht verraten. Angespannt wartete ich die weitere Fahrt ab, bereit, einer unendlichen Krise ungeahnten Ausmasses beim Passieren von Herzburg gegenüberzutreten. Während ich mir ausmalte, wie wir uns selbst während eines erneuten Betriebshaltes in einem heranrauschenden Zug im Fenster erspähen würden und das Universum wegen dem vorgezogenen Halt in sich kollabieren würde, passierten wir Herzburg ohne Halt. Puhh.

Doch die kosmische Krise ging nicht ganz ohne Auswirkungen an uns vorüber, vor allem nicht am Schaffner. Als wir mit ca 20 Minuten Verspätung - ihr seht, die Zeit selbst war schon aus den Fugen geraten - einige Kilometer vor Berlin Ostbahnhof waren, packte den Schaffner die Euphorie: Obwohl er wenige Minuten vorher mit größtem Bedauern mitteilte, daß der Anschlusszug nach Hamburg in Berlin nicht warten könne, ließ er folgendes verlautbaren: "Meine Damen und Herren, ich habe eine erfreuliche Nachricht für sie: Der Zug nach Hamburg konnte doch warten...". Doch die Entität des Betriebshaltes schlug erbarmungslos zurück und mitten im Satz schwenkte der dem Wahnsinn anheim fallende Schaffner enttäuscht um: "... nein, ich bekomme gerade eine Nachricht - doch nicht. Der Zug konnte doch nicht warten." Wenn schon hartgesottene Untertanen des legendären Betriebshaltes die Auswirkungen dieser Zeit-Anomalien spüren, wie muss es dann dem armen Passagier erst ergehen? Denkt beim nächsten Betriebshalt daran....

P.S. vom 13.12.: Die Krise ist nicht überwunden, heute morgen gab es einen UNPLANMÄSSIGEN Betriebshalt der Berliner Strassenbahnlinie M4 zum Alexanderplatz (gut, sie hat halt sehr lange gehalten an der Kreuzung und die nachfolgenden Bahnen stauten sich schon). Das erste Mal, seit ich in Berlin bin. Das kann kein Zufall sein... *Akte X-Melodie pfeif*

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