Mittwoch, 24. Mai 2006

Rebell der Landstraße

und wieder mal ein Gasteintrag von Torsten, besten Dank:

Weil es im Zuge des Berichtes sowieso zur Sprache kommen wird ein Geständnis vorweg, das mir ohne Zweifel alle Sympathien rauben wird: ich fahre nicht auf Radwegen. Aus Prinzip.
Soll ich eine Rechtfertigung wagen? Da mir hier schlecht ins Wort gefallen werden kann und mich auch keiner anschreit, bedroht, bespuckt oder beleidigt, will ich es versuchen. Wer der Argumentation nicht folgen möchte, kann ja einfach den Kopf schütteln über den unbelehrbaren Irren.

Also: zum einen fahre ich Rennrad. Das bedeutet, dass ich in der Ebene je nach Form, Wind und Motivation zwischen 30 und 40 km/h schnell bin, auf 23mm breiten Reifen aufgepumpt auf 8 bar. Ein unebener Radweg aus Gehwegsteinen
und Bordsteinkanten an jeder Ausfahrt, garniert mit kreuzenden Fußgängern ist unter diesen Umständen einfach unbenutzbar.
"Dann fahr halt langsamer!" oder "Fahr ein anderes Rad!" wurde mir darauf schon oft erwidert. Aber ich möchte gern Rennrad fahren und dabei so schnell wie möglich.

Vorhin habe ich geschrieben, dass ich aus Prinzip nicht auf dem Radweg fahre. Das war natürlich Unsinn. Habe ich nur geschrieben um den größtmöglichen Contra-Effekt zu erzeugen. Wenn ein Radweg 20km von A nach B führen würde (wie eine Bundesstraße), immer Vorfahrt hätte (wie eine Bundesstraße) und mit feinstem ebenen Asphalt bedeckt wäre (wie manche Bundesstraßen), dann würde auch ich auf diesem Radweg fahren. Da es so was natürlich nicht gibt, fahre ich auch nicht darauf und kann weiter behaupten, ich wäre ein non-konformer Regelbrecher aus Prinzip. Wie angenehm.

Und dann ist da noch die Sicherheit.
"Ja, endlich nimmt er Vernunft an", werden einige denken. "Ist halt doch viel sicherer auf dem Radweg." Falsch gedacht. Das Unfallrisiko auf dem Radweg ist erwiesenermaßen höher, als auf der Strasse. Wenn der Normalautofahrer mit 30cm Abstand und 50km/h Differenzgeschwindigkeit an mir vorbeirauscht, ist das nicht angenehm, aber relativ ungefährlich. Immerhin hat er mich gesehen und mir im letzten Moment noch einen minimale Überlebenszone eingeräumt.
Auf dem Radweg fährt man geradeaus, während Autos links von mir rechts abbiegen. Eigentlich hat man Vorfahrt, aber als Autofahrer (das bin ich doch recht oft auch selbst, weiß also wovon ich spreche), achtet man einfach nicht auf Dinge, die sich neben der Straße, zum Beispiel auf Radwegen abspielen. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Wieviel gefährlicher das Ganze dann noch wird, wenn man mit 35 km/h auf dem Radweg unterwegs wäre, kein Schulterblick der Welt erfasst einen da.
"Dann fahr halt langsamer!" Nun, das hatten wir ja schon.

Aus den hier dargelegten Gründen fahre ich nun also nicht auf dem Radweg. Ich habe mich in all den Jahren an die Konsequenzen gewöhnt. Ich wurde von Autofahren angehupt, beschimpft, abgedrängt und beinahe tätlich angegriffen (es kam dann doch nicht _ganz_ dazu). Ich bin es gewöhnt und ignoriere es oder grüße freundlich. Denn irgendwie verstehe ich sie ja auch (ich habe allgemein zuviel Verständnis), bin ich doch im Weg, auf ihrer Straße, benutze nicht die mit ihren Steuergeldern erbaute buckelige Todesfalle und stehle ihnen Sekunden ihrer kostbaren Zeit, weil ich halt im Weg bin.

Etwas anderes habe ich aber zuerst überhaupt nicht verstanden. Seit ich vor kurzem umgezogen bin, werde ich plötzlich von anderen RADFAHRERN beschimpft, weil ich nicht auf dem Radweg fahre. Ok, die sind halt neidisch, weil ich so viel schneller bin als sie, und so ein cooles Rad habe und so fit bin und ...
Hmm, nein in Wirklichkeit bin ich ratlos. Ich bin ihnen nicht im Weg, sie könnten mich einfach wortlos fahren lassen. Aber sie tun es nicht! Ich befürchte daher, es hat mit Spießigkeit zu tun. Mit Rechthaberei. Mit blinder Gesetzesergebenheit. Mit all den urdeutschen Tugenden, die dieses Land in manchen Ecken so unbewohnbar machen.
Dass solche Vorfälle bisher immer nur an Stellen passierten, an denen zwar ein rotbepinselter Streifen auf dem Gehweg vorhanden war, aber keinerlei Schilder ihn als Radweg auszeichneten, ist bezeichnend.
Wenn wir es mal von der spießigen, rechthaberischen, gesetzesergebenen Seite her betrachten, ist ein Streifen roter Fußweg ohne Radwegschild einfach nur ein roter Streifen Fußweg, auf dem man nicht fahren _darf_ und die sich im Recht fühlenden, aber unrechterweise auf dem Gehweg fahrenden Radler, beschimpften mich also zu Unrecht.
Aber zugegeben, das war Zufall – genauso gut hätte dort ein echter Radweg sein können. Und eigentlich wäre das besser, dann müsste ich nicht den Impuls unterdrücken anzuhalten und sie niederzudiskutieren, sondern könnte einfach wieder ich sein: unangepasster Rebell der Landstraße.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, ein Defcon'ler liest das hier. :-) Hey, noch ein FedCon-Gänger mit Blog! Damit sind wir drei oder vier. ;-) Verstehe gar nicht, dass sich noch niemand zum Bericht geäußert hat, aber das kann man ja ändern:

Danke für die Komplimente zur Stuntshow! :-) Wir sind alle der Meinung, dass sich die viele Arbeit an Show und Kostümen (und die geschorenen Köpfe und gewachsenen Bärte) angesichts des tollen Feedbacks gelohnt hat.

Obwohl ich ja wegen des verpatzten Auftrittes durch fehlende Beleuchtung doch nicht so ganz glücklich damit war... Aber das Videoteam meinte, es wäre doch etwas von mir zu sehen, so dass mich vielleicht das Convideo wieder etwas versöhnen wird. Und wahrscheinlich haben wir die Show auch nicht zum letzten Mal aufgeführt.

Inzwischen haben wir auch schon ein Thema für die nächste FedCon-Show. ;-)
Man sieht sich also! :-)